
Die letzten Seidenmacher Usbekistans
Lea AmstadAuf unserer Reise durch Usbekistan folgten wir den Spuren der alten Seidenstrasse. Nicht überraschend standen die Städte Samarkand, Buxoro und die Oase Chiwa auf unserer Route. Aber irgendwann und irgendwo – wir können uns nicht mehr erinnern – lasen wir von einer Fabrik im abgelegenen Fergana-Tal. Dort soll es die letzten Seidenmacher Usbekistans geben. Und irgendwie liess uns dieser Gedanke nicht mehr los und so stiegen wir in einen Zug Richtung Osten. Das Fergana-Tal, eingebettet zwischen dem Tien-Shan-Gebirge im Norden und dem Alai-Gebirge im Süden, erstreckt sich von Tadschikistan über Usbekistan bis nach Kirgistan – fruchtbares Land, durchzogen von uralten Handelswegen.
Unser Ziel: Marg’ilon - das letzte Zentrum der traditionellen Seidenherstellung. Die Reise mit dem Zug dauerte rund einen Tag und führte uns vorbei an riesigen Minen, kargen Felslandschaften und verschneiten Steppen. Marg’ilon, der Ort, an dem vor 2000 Jahren Karawanen mit edelster Seide beladen wurden, um sich dann auf die strapaziöse Reise Richtung Westen zu begeben, ist auch heute noch eine staubige, geschäftige Kleinstadt. Hierhin verlaufen sich kaum Touristen – und wir fühlen uns Usbekistan so nah, wie nie zuvor.

Versteckt hinter einem unscheinbaren Tor finden wir die Fabrik Yodgorlik. Amir, ein gescheiter junger Mann, erklärt und zeigt uns den traditionellen Prozess von der Seidenraupe bis zum fertigen Abr-Band Stoff – ganze 37 Schritte und 25 Leute sind involviert.
Das Ganze beginnt mit dem Füttern der Seidenraupen mit Blättern des Maulbeerbaumes. Nach der Verpuppung liefert jeder Kokon etwa einen Kilometer Seidenfaden, der jetzt sorgfältig abgewickelt und vom Davrakesh auf einer Mannsgrossen Holzspule zu Bündeln aufgewickelt wird. Dann beginnt erst die eigentliche Magie und es wird schnell klar, warum die traditionelle Abr-Band Herstellung über viele Jahrhunderte ein Geheimnis blieb: sorgfältig werden die Motive auf die Stoffbündel gemalt. Wie die Meister entscheiden, welche Bündel wie gefärbt werden müssen, bleibt für uns ein Buch mit sieben Siegeln. Die markierten Bündel werden dann nacheinander abgeklebt und in Farbe getaucht. Zwiebelschalen, Granatapfelrinde, Färberkrapp, Eichengalle und andere Naturmaterialien werden zum Färben benutzt. «Der Prozess des Färbens kann bei einem komplexen Motiv schon mal einen ganzen Monat dauern» - meint Amir.

Der Ochuvchi öffnet die fertig gefärbten Garnbündel und übergibt sie dem Gula, der nun noch die Vorbereitungen für das Weben trifft. Die Weberinnen bedienen bis zu 8 Pedale und brauchen mehrere Stunden für einen Meter Stoff.
Wir sind tief beeindruckt von der Hingabe, mit der diese komplexe Kunstform seit Jahrtausenden gepflegt und das Wissen darüber immer an die nächste Generation übergeben wird. Und es ist für uns kein Wunder mehr, dass sich die fertigen Stoffe so lebendig und warm anfühlen, wie kaum ein anderes Material.

Wir machen uns auf zurück ins Hotel – die Sonne liegt tief und taucht das Getümmel am Basar in gelbes warmes Licht. Irgendwie magisch, dieses Marg’ilon.
1 Kommentar
Toll! Danke für diesen Einblick!